07.12.2019: Die Nacht war ruhig bis auf den stetig an Oski zerrenden Wind. Wir sind früh wach, denn die Etappe bis zur Carretera Austral wird sicher anspruchvoll. Der Landcruiser unser Mitfahrer fährt vor uns los. Ich drehe Oski und gerate dabei mit einem Vorderrad in den weichen Kieswulst neben der Strasse. Ein Rad hat keinen Grip, buddelt sich in Sekundenschnelle ein, das andere auf der festen Oberfläche bekommt keine Kraft ab. Ich wünsche mir ein Sperrdifferenzial und muss mit der Klappschaufel Vorlieb nehmen. Etwas Platz für den Auffahrkeil geschaufelt und die Situation ist gemeistert. Dauert trotzdem einige Minuten. Team Toyota hat aber geduldig gewartet.
So fahren wir mit 15 bis 20 Stundenkilometern über übelstes Waschbrett durch eine unfassbar grandiose Gegend. Mal wüstenähnlich, mal grün, über wacklige Brücken und erwähnenswerte Anstiege. Der Frontantrieb in Verbindung mit den AT Reifen macht es recht souverän. Die steilsten Stellen machen wir mit etwas Schwung, der mitfahrende Landcruiser vermittelt Sicherheit.
So erreichen wir wohl einen der abgelegensten Grenzposten der Welt, den Paso Roballos. Er liegt unterhalb eines Hügels wie eine kleine Farm. Hühner laufen umher, man sieht einige Antennen, der Strom kommt aus Solarzellen. Im Büro empfängt uns der Grenzer an einem computerlosen Schreibtisch. Wir werden handschriftlich im Ordner verewigt. Ich denke heute werden es nicht mehr als zehn Bewegungen sein.
Dann geht die Schranke auf und wir rollen am chilenischen Grenzstein vorbei einige Kilometer durchs Grenzland bis zum chilenischen Posten. Hier ist alles deutlich exakter, sauberer, neuer, grösser, halt Chile, das Preussen Südamerikas. Nach der Einreiseprozedur rollen wir auf Waschbrett in ein wildes Tal, jagen ein Gürteltier und staunen und staunen.
Die Landschaft verändert sich schnell und wird gefühlt zu Kanada oder Alaska. Die Strasse bleibt weitgehend übel. Wir holpern über die Piste und sind begeistert von der traumhaften Gegend die einen enormen Kontrast zum Morgen bildet. Das Valle Chacabuco ist ein privat finanziertes Naturschutzgebiet. Es gibt auch einige Campingplätze, die wir aber links und rechts liegen lassen müssen. Ebenso ganze Herden von Guanakos, Vogelschwärme und weitgehend unberührte Natur. Eine Region, die sicher einige Tage Zeit bräuchte…
Irgendwann rollen wir dann tatsächlich auf die Carretera zu, blicken auf schneebedeckte Bergriesen und dann ist es soweit: Oski steht auf der Carretera Austral, ein Schild verkündet: Cochrane 17 km, das machen wir. Die Strasse ist bis zum Ort nicht asphaltiert, aber gut befestigt. Tempo 60 fühlt sich an wie Autobahn und so dauert es nur kurz bis wir ins verschlafene Cochrane einrollen. Der Ort ist gefühlt am Ende der Welt, umgeben von Bäumen und Bergen und hat ein gewisses Alaska-Ambiente. Bis auf die typische Avenida, die Prachtsrasse und den Plaza de Armas, den Hauptplatz mit Grünanlage. Wir stellen Oski am Platz ab und laufen in den Supermarkt. Dieser ist ein Sammelsurium aus Baubedarf, Lebensmittelmarkt und sonstigem. Neben dem Betonmischer ist die Fleischtheke, dann folgt schon die Kleiderabteilung. Wir können uns ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ja so ist das am Ende der Welt…
Ein Eis rundet den Einkauf ab und wir müssen an die Weiterfahrt nach Norden denken. Puerto Tranquilo ist 120 Kilometer entfernt. Bei der Strassenqualität sollte das in zwei, drei Stunden machbar sein. Denken wir auch, als wir zwei Autostopper samt Angelausrüstung mitehmen. Die beiden aus Deutschland, bzw. Namibia stammenden Tramper meinten wohl auch, sie seien schneller am Ziel, als dann tatsächlich.
Kurz nach der Einmündung aus dem Valle Chacabuco änderte sich nordwärts die Qualität der Carretera. Statt 60 nur noch Tempo 20. Rumpelpiste at its best. So zieht sich die Fahrt über Stunden und die Hoffnung auf Besserung erlischt zunehmends. Die Landschaft: Ein Traum den wir trotz Schüttelei geniessen. Zeit dafür ist genug: Für die 115 Kilometer brauchen wir schliesslich 6 Stunden und treffen in der Dunkelheit am Ziel ein. Was für ein intensiver Tag, der in unsere und Oskis Geschichtsbücher eingehen wird.
Schon bemerkenswert, was der Oski alles mitmacht! Aber ich denke, es war das Wagnis wert – und bin mir sicher: wenn es mich jemals noch in diese Weltregion verschlägt (was leider unwahrscheinlich ist), dann wüprde ich auf dieses Abenteuer auch nicht verzichten wollen…
Ja, Joachim. Hatte sogar beim Schreiben dieses Blogs gefühlt zittrige Finger von der Waschbrettpiste. :-))) Das war ein gleichermassen anstrengender wie faszinierender Tag. Wir haben die Entscheidung nicht bereut…